Samstag, 25. Dezember 2021

Die Expedition des Grafen de la Perouse - Kapitel 1

Prolog: Der missglückte Aufbruch aus Brest

über die Geschehnisse am 2. August im Jahr 1785

Brief aus dem Nachlass von Madame Sophie Eugénie Zatapathique,  Kaufmannstochter aus Brest, adressiert an ebendiese

geschrieben am 4. August 1785, an Bord der Fregatte 'La Galatée', auf Reede vor Concarneau

Ma cherè Sophie,

wie ich es Dir versprochen habe, bringe ich diese Zeile zu Papier, um Dich auf dem Laufenden zu halten über das, was mir widerfahren ist auf der Expedition des Grafen de la Perouse, so daß sich Dir die lange Zeit meines Fortbleibens verkürze, und etwaige Sorgen Deinerseits sich zerstreuen.

Zur Zeit liegen wir vor Anker bei Concarneau, und lecken unsere Wunden. Keine Bange, mir ist nichts geschehen, aber der armen 'Galatée' hat es übel mitgespielt. Doch immer der Reihe nach:

Gegen Mittag des ersten August waren wir endlich soweit, in Brest loszuwerfen und mit der Tide auslaufen  zu können. Der Wind stand längst nicht mehr günstig, doch hatte der Graf darauf bestanden, dass 'L'Esperance' und die 'Bonne Intention' im letzten Moment noch Ladung in Gestalt von zwei großen, grob gezimmerten Holzkisten übernehmen. Wie dem auch sei, wir kreuzten gegenan auf's Meer hinaus, und mit Einbruch der Nacht drehte der Wind auf Nord, so dass die Nacht ruhig verlief.

Nicht so der folgende Morgen. Kaum hatte sich die Ile de Sein aus dem zähen und hartnäckigen Dunst geschält, sichteten wir westlich der Insel Segel. Sie gehörten zu einem spanischen Geschwader, dem unseren ebenbürtig, dass in recht bedrohlicher Manier schnell aufkam. Und tatsächlich, ohne viel Federlesens preschten zwei Brigs und zwei Schoner mitten zwischen uns, und eröffneten ohne Warnung das Feuer! Der Graf hatte uns wohl gewarnt, dass auf diese Expedition mit Überraschungen zu rechnen wäre, aber dass Schiffe der spanischen Krone, mit der wir uns nicht im Krieg befinden, sich zu solch einem Akt der Piraterie erdreisteten, verschlug mir kurz die Sprache.

Kurz nur, dann sprachen auch unsere Geschütze, und ein heftiges Mêlée entbrannte. Zu meinem großem Verdruss dreht der Wind zusehends westlich, so dass es den Dons ein Leichtes war, bis zu den beiden Kauffahrern vorzudringen, auch wenn wir ihnen auf dem Weg mit den Achtzehnpfündern tüchtig das Fell gegerbt haben. Der Graf selbst hatte in Lee mit seinen beiden Linienschiffen ordentlich zu tun mit zwei spanischen Zweideckern. Kurzum, in heftigem Gefecht ging 'L'Alerte' verloren, und auch die 'Conquérant' wird so bald nicht wieder in See gehen. Nicht, dass wir es den Spaniern nicht mit gleicher Münze vergolten hätten, aber am Nachmittag war offenkundig, dass sie mit 'Esperance' und 'Bonne Intention' auf Kurs Süd entkommen würden, egal, was wir auch tun. So nahmen wir, ich kann es nicht anders sagen, mit eingekniffenem Schwanz Kurs Südost, um hier in Concarneau unser Wunde zu lecken.

Der Graf ist im Guten wie im Schlechten ein Edelmann und tunlichst bemüht, die Contenance zu wahren. Doch innerlich kocht er vor Zorn, mehr über die Dons als über uns, möchte ich meinen. Lange wird es ihn hier nicht halten, er will die beiden Prisen um jeden Preis zurück.

So setze ich alles daran, 'Galatée' wieder seetüchtig zu bekommen. Ich schließe diese Zeilen hier, und will Dir schreiben, wenn sich neue Entwicklungen ergeben.

In großer Liebe und unverbrüchlicher Treue,

Augustin