Sonntag, 28. Juli 2024

Die Expedition des Grafen de la Perouse - Kapitel 3

 Eine weitere Depesche aus dem Braunwurtz-Nachlaß, den Floyd J Peapon dem Smithsonian Institute übergab.

geschrieben am 17. Januar 1786 zu Salvador da Bahia

Hoch geschätzter Monsieur le Commissaire,

ich habe fürwahr überaus erfreuliche Neuigkeiten zu berichten in Sachen der Bergungsunternehmung der auf so unglückliche Weise verloren gegangenen ‘Boussole’. Vor wenigen Tagen lief ‘La Néréide’ in Salvador ein, kommandiert von Lieutenant de Froissac. Als Passagiere waren gefahren die Edle Chipahua, aus der Herrscherfamilie des hiesigen Volkes der Yamoac, Monsieur de Montfaucon vom diplomatischen Corps seiner Majestät; sowie - zu meiner nicht geringen Freude – die Vicomtesse de la Bonneaventûre.

Ich darf von Glück sagen, daß die Damen und Herren keine Zeit verloren, mir die Aufwartung in der bescheidenen Residenz zu machen, die mir der Gouverneur von Salvador zur Verfügung gestellt hatte. Denn just in den grauen Stunden des Morgens nach dem Einlaufen der ‘Néréide’ brachen gedungene Schergen dort ein, schlugen meine nichtsahnenden Dienstboten nieder und bedrängten mich auf das Fürchterlichste. Zu unser aller Glück stellte Lieutenant de Froissac unter Beweis, dass seine Gewandtheit mit dem Degen seiner Tüchtigkeit als Offizier in nichts nachstand, im Handumdrehen hatte er die Schergen entwaffnet oder bewusstlos geschlagen. Lediglich ihr Anführer war noch auf den Füßen, und bedrohte mich mit seinem Dolch, doch hatte er die Rechnung ohne die Edle Chipahua gemacht: ihr Wurfmesser fuhr ihm in den Unterarm, und mit einem gotteslästerlichen spanischen Fluch auf den Lippen suchte er das Weite.

In der Tat: die Übeltäter stammen ganz zweifelsohne aus Spanien. Dessen bin ich gewiß, da die ‚Néréides‘ – wenn Ihr mir diese formlose Bezeichnung gestatten wollt – am Abend dieses Tages just dieses Übeltäters auf dem Ball des Gouverneurs zu Ehren des Namestages des Heiligen Nepomuk gegenwärtig wurden, und Madame de la Bonneaventûre ihn sogar unerschrocken zur Rede stellte. In Salvador da Bahia trägt dieses zwielichtige Individuum den Deckmantel des redlichen portugiesischen Kaufherren Dom João Leite Brandão*, doch wie mir Monsieur de Montfaucon offenbarte, nachdem wir die Angelegenheit in aller Ruhe durchgehen konnten, ziert seinen Mantel in Wahrheit das Lilienkreuz des Ordens von Calatrava! Ihr wisst genau so gut wie ich, welches Offizium seine Handlanger in den Reihen dieser Ordensbrüder rekrutiert…

Es wurde mir zugetragen, dass alle vier auf besagtem Ball eine gute Figur gemacht und für recht viel Gesprächsstoff gesorgt haben. In Versailles mag Euch das schwer begreiflich sein, aber hier am Rande der Zivilisation nimmt man jedes bisschen Kunde aus Europa auf wie Verdurstende einen Becher Wasser. Auch Donha Quíhue**, die Gattin des Gouverneurs und eine einflussreiche Persönlichkeit in Salvador war voll des Lobes, obschon sie ein sehr ernstes Gespräch mit der Edlen Chipahua geführt haben muss, so wollen es Augenzeugen gesehen haben. Weitaus besorgniserregender waren die Gerüchte, die Monsieur de Montfaucon in Erfahrung zu bringen wusste: unweit Salvadors sollte eine spanische Fregatte auf der Lauer liegen! Das ließ Böses ahnen im Hinblick auf unser Vorhaben, am Folgetag die ‚Néréide‘ Anker auf gehen zu lassen, um mittels der Leonardo’schen Glocke das Armillar zu bergen. Kurz entschlossen eilte man zum Schiff, und Lieutenant des Froissac tat alles, schnellstmöglich die Bucht zu erreichen, in der das Wrack der ‚Boussole‘ liegt.

Wie erwartet herrschte dort reges Treiben: das Volk der Yaomac war im Begriff die Zeremonie der zwei Schlangen abzuhalten, den höchsten Feiertag ihres heidnischen – wenngleich völkerkundlich überaus interessanten – Kultes. Dank des energischen Auftretens der Edlen Chipahua gewährte die Stammesälteste der ‚Néréide‘ jedoch freie Passage. Und dies keine Minute zu früh. Denn während Chipahua nach dem Wrack erfolgreich tauchte, entdeckte Monsieur de Montfaucon aus dem Norden nahend die Bramsegel der spanischen Fregatte, und identifizierte sie als die ‚Santa Perpetua‘, bestückt mit 34 Kanonen.

Des nahenden Feindes gewahr, muss es erhebender Augenblick gewesen sein: Madame de la Bonneaventûre und Lieutenant de Froissac brachten Schiff und Glocke in Position, unter der kundigen Einweisung der Edlen Chipahua. Schnell war das Armillar gefunden und gesichert, und wurde triefend an Bord der ‚Néréide‘ gehievt.

Monsieur de Montfaucon hatte unterdessen von langer Hand ein Ablenkungsmanöver vorbereitet, um den spanischen Canaillen ein falsches Fundstück unterzujubeln, das jedoch aufgrund der nautischen Exzellenz der Vicomtesse und des Chevalier gar nicht benötigt wurde. Denn unter vollem Zeug nahm die Brigg Fahrt auf, und ein weiteres Mal eröffnete ein spanisches Schiff wider alles Recht und gute Sitten das Feuer! Doch half es ihnen wenig, denn unter der kundigen Hand des Leutnants, und dem wachen Blick der Ozeanographin gewann die ‚Néréide‘ einen Vorsprung und ließ den Spanier schließlich im schlechten Wetter hinter sich.

All dies weiß ich von Hörensagen und Augenzeugen, denn die ‚Néréides‘ trugen Sorge dafür, daß mir das Armillar durch treue Yaomac übergeben wurde. Ich bin zuversichtlich, daß ich diesem tüchtigen Schiff wieder begegnen werde, sobald sie die ‚Santa Perpetua‘ abgeschüttelt haben. Und selbst, wenn ihnen das nicht gelingen sollte, so seid gewiss, mir wird schon etwas einfallen, wie wir mit Hilfe des von Monsieur de Montfaucon fabrizierten Götzenbildes die Dons werden nasführen können.

Für’s erste bereite ich mich auf die Abreise vor, und lasse ‚L’Astrolabe‘ seeklar machen. Um’s Kap Horn wird es kein leichter Törn.

Ich verbleibe hochachtungsvoll,

Jean-François de Galaup


Anmerkungen des Archivars

*: möglicherweise eine Verbindung zu Padre Iago Ballester?

**: vermutlich Domha Quíhue Alfonsín das Vargas

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